Ist ein (Sub-)Unternehmer tatsächlich derart in das Unternehmen des Auftraggebers eingebunden, dass er als Arbeitnehmer anzusehen ist, ergeben sich erhebliche Risiken für alle Beteiligten.

Die sog. „Scheinselbständigkeit“ stellt keine eigene Beschäftigungsart dar, sondern hat sich in den letzten Jahren als Begriff für ein tatsächliches Arbeitsverhältnis eingebürgert, welches von den Parteien aber nicht als solches vereinbart und durchgeführt wird. Die sich daraus für alle ergebenden finanziellen Folgen sind aber erheblich (siehe auch das unten stehende Rechenbeispiel)!

Grundsätzlich steht es einem Unternehmer frei, Aufträge für sein Unternehmen an selbständige andere Unternehmer zu vergeben. In der Regel wird ein normales Dienst-/Werkvertragsverhältnis vereinbart, in welchem der Auftragnehmer die vereinbarten Leistungen an den Auftraggeber erbringt und diese i.d.R. mit ausgewiesener Umsatzsteuer durch Rechnungslegung beim Auftraggeber abrechnet.

Dies ist zwischen fremden Unternehmern, die lediglich einen einzelnen Auftrag wie z.B. die Reparatur einer defekten Maschine vergeben, unproblematisch. Allerdings gibt es auch Konstellationen, in welchen der Auftragnehmer nicht nur einmalig für den Auftraggeber tätig ist, sondern darüber hinaus längere Vertragsbeziehungen bestehen. Derartige Geschäftsbeziehungen sind in jeder Branche denkbar, so z.B. der Inhaber eines Transportservices, der als Subunternehmer für größere Paketzusteller arbeitet, der Handwerker, der längerfristige Bauprojekte des Auftraggebers betreut oder sogar der Rechtsanwalt, der als freier Mitarbeiter in einer anderen Kanzlei mitarbeitet. Hierbei haben sich die Parteien möglicherweise sogar bewußt für eine selbständige Tätigkeit des Auftragnehmers entschieden, da durchaus interessante Argumente für eine selbständige Tätigkeit sprechen können. So ist der Auftraggeber von den wirtschaftlichen Risiken des Vorhaltens von Arbeitnehmern entlastet, während der Auftragnehmer möglicherweise bessere Verdienstaussichten hat, ungebunden ist etc. Da solche Konstellationen aber auch zu Lasten des Subunternehmers ausgenutzt werden können, z.B. durch Umgehung von Mindestlöhnen, Arbeitszeitvorschriften etc., haben die Sozialversicherungsträger und die Finanzbehörden in den letzten Jahren zunehmend damit begonnen, die Verhältnisse vor Ort genauer zu prüfen.

Soweit die vermeintliche „Selbständigkeit“ tatsächlich wie ein Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist, liegt eine Scheinselbständigkeit vor. Zur Abgrenzung zwischen der selbständigen Tätigkeit und der Scheinselbständigkeit kommt es nicht darauf an, was die Parteien vereinbart und gewollt haben, sondern alleine auf die tatsächliche Durchführung. Kriterien sind z.B. die Frage, wie stark der Grad der persönlichen Abhängigkeit ist, in der der Auftragnehmer sich befindet. Dieser bemisst sich nach der Weisungsberechtigung hinsichtlich Ort, Arbeitszeit, fachlicher Auftragsdurchführung, Einbindung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers, Aufnahme in Dienstpläne etc. Auch formale Kriteren, wie z.B. die Anmeldung eines Gewerbes, Honorarmodalitäten, Urlaubsabsprachen etc. können zur Abgrenzung herangezogen werden, ebenso Fragen der Höchstpersönlichkeit der Auftragsdurchführung oder des eigenen unternehmerischen Risikos des Auftragnehmers. I.d.R. ist eine Gesamtschau aller Kriterien vorzunehmen. Allerdings haben z.B. die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger in einem Rundschreiben Berufsgruppen benannt, in denen i.d.R. von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist. Hierzu zählen z.B. Bedienungen in der Gastronomie, Frachtführer ohne eigenes Fahrzeug, Hostessen, Beschäftigte der Gesundheitsberufe etc.
Bei der Abgrenzung obliegt im Einzelfall den Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichten die Entscheidung, wobei die zugrunde gelegten Kriterien dem vorgenannten entsprechen.
Häufig werden von beiden Parteien die Folgen der Aufdeckung der Scheinselbständigkeit unterschätzt. Diese erfolgt i.d.R. erst mit einer erheblichen (jahrelangen) Verzögerung im Rahmen von Betriebsprüfungen durch die Sozialversicherungsträger oder das Finanzamt, gelegentlich auch bei Streitigkeiten zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber.

Am gravierensten sind zumeist die sozialverischerungsrechtlichen Auswirkungen. Der Auftraggeber haftet für die Zahlungspflichten gem. § 28 e SGB IV, also für die Abführung des Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrages zu den Sozialversicherungen. Diese Haftung besteht auch für die Vergangenheit für einen Zeitraum von nahezu 5 Jahren! Sollte die Beiträge sogar vorsätzlich nicht ordnungsgemäß abgeführt worden sein, erhöht sich die Haftung sogar bis auf einen Zeitraum von 30 Jahren! Angesichts des derzeitgen Beitragssatzes von insgesamt ca. 38,65 % kommen hier bei längeren Geschäftsbeziehungen erhebliche Summen zu Stande, darüber hinaus auch noch die erheblichen Säumniszuschläge. Hinsichtlich des Arbeitnehmeranteiles besteht zwar dem Grunde nach die Möglichtkeit, diese vom Scheinselbständigen zu regressieren, allerdings im Regelfall nur durch Abzug von den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen. Weitergehende Ansprüche sind ausgeschlossen, soweit der Auftraggeber auch nur leicht fahrlässig gehandelt hat; bereit die Nichteinholung einer Statusfeststellung kann für Fahrlässigkeit bereits ausreichen. Daneben stellt sich auch stets die Frage, inwiefern die möglicherweise bereits bis in den fünfstelligen Bereich aufgelaufenen Forderungen beim Auftragnehmer einbringlich sind.

Lohnsteuerrechtlich besteht ebenfalls die Haftung des Auftraggebers, soweit der Auftragnehmer für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zuwenige oder gar keine Steuern gezahlt hat, wobei es hierbei nicht einmal auf ein Verschulden des Auftraggebers ankommt. Darüber hinaus ergeben sich auch für die Umsatzsteuer erhebliche Auswirkungen, da allen vom Auftragnehmer gestellten Rechnungen der Vorsteuerabzug versagt wird, soweit nicht bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Diese beträgt i.d.R. wie bei den Sozialversicherungen nahezu 5 Jahre, bei Vorsatz sogar mehr als 10 Jahre. Auch hier besteht grundsätzlich ein Ersatzanspruch gegen den Auftragnehmer hinsichtlich der zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuer, deren Einbringlichkeit aber bei größeren Summen problematisch bleiben kann.

Auch arbeitsrechtlich droht dem Auftraggeber ungemach: der Scheinselbständige zählt als Arbeitnehmer, so dass möglicherweise Grenzen nach dem Kündigungsschutzgesetz oder dem Betriebsverfassungsgesetz überschritten wurden. Dies kann z.B. zur Unwirksamkeit von Kündigungen anderer Arbeitnehmer führen.

Problematisch sind die langen Zeiträume, für die sich eine Haftung ergeben kann. Wenn man z.B. davon ausgeht, dass ein Subunternehmer unerkannt 4 Jahre als Scheinselbständiger beschäftigt war und hierfür monatlich 1.000 EUR zzgl. 190 EUR Umsatzsteuer abgerechnet und erhalten hat, ergibt sich Folgendes:

Sozialversicherungsbeiträge (38,65 %, AN+AG Beiträge): 386,50 EUR
Lohnsteuer (Steuerklasse I): 6,58 EUR
Nicht abziehbare Vorsteuer: 36,10 EUR
Insgesamt monatlich also: 429,18 EUR

Dies scheint noch überschaubar, für einen Zeitraum von 4 Jahren sind das dann aber bereits 20.600,64 EUR! Dazu ist noch zu beachten, dass sowohl die Sozialversicherungsträger als auch das Finanzamt teuere Gläubiger sind, die Säumniszuschläge bzw. Zinsen in erheblicher Höhe verlangen. Aus Vereinfachungsgründen wird davon ausgegangen, dass die Scheinselbständigkeit unmittelbar nach Ablauf des 4. Jahres entdeckt wurde und die SZ/Zinsen erst mit Jahresende anfallen; diese würden sich aber auch bei dieser Vereinfachung auf 7.416,23 EUR summieren! Es ergibt sich damit eine Gesamtsumme von 28.016,87 EUR, für die der Auftraggeber haftet!

Das ist aber noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange. Stellt man sich vor, dass die vorgenannten 1000 EUR netto für eine Tätigkeit gezahlt werden, die eine normale Vollzeittätigkeit mit 40 h/ Woche ausfüllt, wäre darüber hinaus der Mindestlohn unterschritten. Dieser wäre bei den obigen Berechnungen selbstverständlich zugrunde zu legen, mit entsprechenden Auswirkungen nach oben. Soweit ein tariflicher Mindestlohn existiert, welcher höher wäre, ist dieser anzusetzen. Grundlage hierfür ist der Umstand, dass nach der Rechtsprechung nicht davon ausgegangen werden kann, dass das vereinbarte Entgelt für die vermeintlich selbständige Tätigkeit auch dem Entgelt für ein Arbeitsverhältnis entspricht. Hierfür ist dann gem. § 612 BGB die übliche Vergütung anzusetzen, zumindest, soweit die Scheinselbständigkeit unerkannt aufgetreten ist.

Soweit dem Auftraggeber Vorsatz nachzuweisen ist, dürfte sich den Geldforderungen der öffentlichen Hand dann auch noch ein Strafverfahren anschließen, z.B. wegen § 266 a StGB oder Unterschreitung des Mindestlohnes.

Allerdings treffen die Folgen nicht nur den Auftraggeber, sondern auch den Auftragnehmer. Soweit festgestellt wird, dass eine Scheinselbständigkeit vorliegt, wird der Auftragnehmer nicht mehr als Unternehmer angesehen. Dies führt zum Verlust der bisher als Vorsteuer geltend gemachten Eingangsrechnungen mit der Konsequenz möglicher erheblicher Umsatzsteuernachforderungen. Die Umsatzsteuer aus den Ausgangsrechnungen wird aufgrund des falschen Ausweises in der Rechnung zunächst weiterhin geschuldet, das Korrekturverfahren diesbezüglich ist aufwendig. Auch hinsichtlich der Einkommenssteuer können sich Nachforderungen der Finanzverwaltung ergeben, da Betriebsausgaben beim Selbständigen nicht immer auch Werbungskosten beim Arbeitnehmer darstellen. Hier sollen beispielhaft nur die Fahrtkosten angeführt werden, die für Arbeitnehmer völlig unterschiedlich zu berechnen sind. Nicht zu vergessen ist weiterhin, dass der Scheinselbständige für die meisten der vorgenannten Forderungen ebenfalls mit in Anspruch genommen wird (Arbeitnehmeranteile und Lohnsteuer). Soweit der (ehemalige) Auftraggeber nicht mehr leistungsfähig sein sollte, ist der Scheinselbständige ebenfalls mit den Nachforderungen belastet. Schließlich ist auch das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Scheinselbständigem nicht mehr ungetrübt: neben den Regressansprüchen des Auftraggebers kann dieser u.U. mit der Begründung, einem Arbeitnehmer weniger gezahlt zu haben, überzahlte Beträge zurückfordern.

Um derartige Konsequenzen zu vermeiden, ist daher von Beginn als auch während eines laufenden Vertragsverhältnisses zu überprüfen, ob möglicherweise Arbeitnehmereigenschaften des vermeintlichen Auftragnehmers vorliegen. In Zweifelsfällen kann durch eine Statusfeststellung bzw. Anrufungsauskunft Rechtssicherheit geschaffen werden.